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Format
Pressemitteilung
Date
12. Februar 2025

Mehr Markt wagen: Wie eine EEG-Reform den Wind- und Solarausbau absichert und das Stromsystem effizienter macht

Der Ausbau Erneuerbarer Energien als Kernpfeiler der Klimaneutralität erfordert in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen. Gleichzeitig muss die nächste Bundesregierung die Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aufgrund von EU-Vorgaben anpassen. Agora Energiewende schlägt einen neuen Rechtsrahmen für Investitionen in Wind- und Solar-Anlagen vor, der den Zubau absichert und zugleich über marktbasierte Anreize die Stromkosten senkt.

Mehr Markt wagen: Wie eine EEG-Reform Wind- und Solarausbau absichert und das Stromsystem effizienter macht

Berlin, 12. Februar 2025. Die kommende Bundesregierung hat die Aufgabe, den deutschen Strommarkt zukunftsfest an neue EU-Vorgaben anzupassen. Ein zentraler Pfeiler dieser Reform des Strommarktdesigns ist die Neuausrichtung der Vergütung für Wind- und Solaranlagen im Rahmen des EEG. Diese muss zeitnah nach der Bundestagswahl angestoßen werden. Agora Energiewende schlägt in einer neuen Studie vor, einen Investitionsrahmen für Wind- und PV-Anlagen zu schaffen, der Investoren ermöglicht, einen Teil der Erlöse auch über den Strommarkt abzusichern und damit den staatlichen Zuschussbedarf reduziert. Ziel des Vorschlags ist es, die Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren Energien auf dem Weg zum gesetzlich verankerten 80-Prozent-Ziel zu erhöhen und zugleich wettbewerbsfähige Strompreise sowie die Effizienz des Stromsystems zu sichern.

Der Agora-Vorschlag, der eine Kombination von finanziellen Differenzverträgen (CfDs) mit anteiliger Finanzierung durch langfristige Strombezugsverträge (PPAs) vorsieht, fokussiert insbesondere auf Wind-an-Land-Anlagen und Freiflächen-Solaranlagen. Beide Technologien erzeugen schon heute einen Großteil des erneuerbaren Stroms in Deutschland. Für ihren weiteren Ausbau sind bis 2030 unter anderem jährliche Investitionen von rund 15 Milliarden Euro erforderlich. Der vorgeschlagene Investitionsrahmen kann auf die bisherige staatliche EEG-Förderung folgen, wenn deren beihilferechtliche Genehmigung seitens der Europäischen Union Ende 2026 ausläuft. Zugleich ist er konform mit der Vorgabe der EU-Strombinnenmarktrichtlinie, dass staatliche Investitionsinstrumente bis 2027 beidseitig wirken müssen: Gesicherte Zahlungen für Betreiber im Falle niedriger Strommarkterlöse werden mit einem Rückzahlungsmechanismus im Falle hoher Marktpreise kombiniert.

„Die neue Bundesregierung hat die Chance, den Grundstein für ein effizienteres und klimaneutrales Stromsystem zu legen und so die Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren Energien in einem veränderten Marktumfeld fortzuschreiben“, sagt Philipp Godron, Programmleiter Strom bei Agora Energiewende. „Es ist essenziell, dass wir die Ausbaudynamik der Erneuerbaren durch ein staatliches Absicherungsinstrument erhöhen, und zugleich Wind und Solarenergie stärker an den Markt heranführen. Eine solche Reform ist eine Win-Win-Lösung, denn sie bringt uns beim Erneuerbaren-Ziel auf Kurs und hilft zugleich, die Stromkosten weiter zu senken.“

Drei zentrale Herausforderungen für Investitionen in Erneuerbare Energien

Die Studie sieht drei Faktoren, die Investitionsentscheidungen für Erneuerbare Energien derzeit maßgeblich beeinflussen:

Erstens wird die Stromerzeugung in einem zunehmend erneuerbaren Stromsystem volatiler. In Zeiten hoher Stromeinspeisung aus Wind- und PV-Anlagen kann es zu Negativpreisen an der Strombörse kommen, die letztlich Einnahmeausfälle bei Betreibern und eine erhöhte Unsicherheit über künftige Erträge bewirken können.

Zweitens schafft das Marktprämienmodell, welches jede vermarktete Kilowattstunde vergütet, regelmäßig Fehlanreize. „Durch die produktionsabhängige Förderung entstehen Marktverzerrungen, etwa dass Erneuerbaren-Anlagen Strom einspeisen, auch wenn die Nachfrage bereits gedeckt ist. Die neue Bundesregierung muss dieses Problem im Rahmen der EEG-Reform anpacken“, erläutert Philipp Godron.

Drittens kam es infolge der fossilen Energiekrise durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ab Ende 2022 über einen Zeitraum von sieben Monaten erstmals zu einer staatlich verordneten Abschöpfung von Übergewinnen bei Stromerzeugern, die vom Bundesverfassungsgericht in Krisenzeiten grundsätzlich für rechtens befunden wurde. Somit bergen hohe Marktpreise und Krisensituationen für Investorinnen und Investoren fortan das Risiko spontaner Abschöpfungen, was zu Verunsicherung und Risikoaufschlägen führt.

Effiziente Kombination marktbasierter und staatlicher Investitionsinstrumente

Die Agora-Studie schlägt vor, den genannten Herausforderungen mit einer Kombination aus staatlichen und marktbasierten Instrumenten begegnen.

Zum einen sollte das Marktprämienmodell zu finanziellen Differenzverträgen (CfDs) weiterentwickelt werden. So würde nicht mehr die Stromerzeugung einer individuellen Anlage, sondern die Erzeugung einer so genannten „Referenzanlage“ als Bemessungsgrundlage für die Erlösabsicherung herangezogen werden. Dadurch entstehen Anreize, sowohl bei der Investition als auch beim Betrieb nicht allein die produzierte Strommenge, sondern auch den Marktwert des Stroms in den Blick zu nehmen. Das kann zum Beispiel durch eine Kombination der PV-Anlage mit Batteriespeichern oder durch Windanlagen, die auch bei Schwachwind produzieren, geschehen.

Weiterhin braucht es marktbasierte Instrumente wie beispielsweise mehrjährige Stromlieferverträge (PPAs), um einer Anlage gerade in den ersten Betriebsjahren eine solide Basis zur Erlössicherung zu bieten und so den staatlichen Zuschussbedarf zu reduzieren. Gleichzeitig ermöglichen solche Handelsgeschäfte Stromversorgern, ihre Preise am zunehmend von Erneuerbaren Energien dominierten Strommarkt abzusichern.

Die Kombination aus beiden Instrumenten kann Investoren gegen niedrige Strompreise absichern und damit Kapitalkosten senken. Gleichzeitig sinken dadurch auch die Risikoaufschläge für PPAs, wodurch beispielsweise die Nutzung von Grünstrom für Elektrolyseure in der Wasserstoffherstellung wirtschaftlicher wird.

Um die Instrumente wirksam zu kombinieren, schlägt die Studie vor, dass Investoren im Rahmen des Ausschreibungsprozesses die Freiheit haben, den Umfang der staatlichen Absicherung zu wählen. Mit dem vorgeschlagenen Instrument kämen Mehrerlöse den Investoren nur dann zugute, wenn diese die entsprechenden Marktrisiken im Vorhinein übernehmen und auf die staatliche Absicherung verzichten. Mehrerlöse, die während der staatlichen Absicherungsphase erfolgen, würden hingegen einem Abschöpfungsmechanismus unterliegen. Das Wahlmodell sollte so gestaltet werden, dass unterschiedlich lange marktliche Absicherungsphasen gewählt werden können. Dies gewährleistet, dass der Staat gezielt riskantere Marktphasen oder Projekte absichert, während in stabileren Phasen marktbasierte Finanzierungen genutzt werden. Durch die Abfolge „zuerst Markt, dann Staat“ werden Wettbewerbsfähigkeit, Investoreninteressen und Akteursvielfalt gefördert sowie staatliche Verpflichtungen langfristig reduziert.

„Unser Vorschlag stellt sicher, dass durch die engere Verzahnung marktlicher Anreize mit staatlicher Absicherung die Stromkosten für Verbraucher und den Staat sinken. Zugleich bleiben Investitionen in Wind und Solar weiter attraktiv“, sagt Philipp Godron.

Die Neuregelung des EEG ist Teil einer umfassenden Reform des Strommarktdesigns. Diese erfordert kapazitätsbasierte Investitionsinstrumente für erneuerbaren Strom und steuerbare Kraftwerke als wesentliche Bausteine eines klimaneutralen Energiemarktes. Hinzu müssen Anreize zur flexiblen Nutzung des erneuerbaren Stroms durch Power-to-Heat-Anlagen, Speicher, Elektroautos und Wärmepumpen kommen.

„Die neue Bundesregierung wird nur ein gutes Jahr Zeit haben, das EEG an europarechtliche Vorgaben anzupassen“, so Philipp Godron. „Der Erprobung eines neuen Instruments für Erneuerbaren-Investitionen und der Definition einer Referenzanlage, an der sich die Erlöse für Wind- und Solaranlagen orientieren, kommt eine herausragende Bedeutung zu. Die genaue Ausgestaltung sollte in einem umfassenden Stakeholderprozess unter Einbeziehung der gesamten Branche erarbeitet werden.“

Die Studie „Investitionsinstrumente für Wind- und Solaranlagen im Wechselspiel zwischen Markt und Förderung“ umfasst 48 Seiten und beschäftigt sich mit Reformen des Strommarktdesigns für Wind- und Solaranlagen. Die Publikation steht zum kostenlosen Download unter www.agora-energiewende.de bereit.

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