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Format
Pressemitteilung
Date
12. Dezember 2024

Die entscheidende Dekade für den Klimaschutz: Warum es jetzt Reformen für mehr Investitionen braucht

Das kommende Jahrzehnt ist entscheidend, um Deutschland auf klimaneutralen Wohlstand auszurichten. Der Investitionsbedarf erreicht 2030 vor allem wegen des Rückstands beim Ausbau der Stromnetzinfrastruktur und der Elektrifizierung seinen Höhepunkt und sinkt danach spürbar. Insgesamt werden die benötigten Mittel von durchschnittlich 540 Milliarden Euro jährlich überwiegend privat getragen und können größtenteils durch das Umlenken von fossilen zu klimaneutralen Technologien mobilisiert werden. Wie das gelingen kann, zeigt eine neue Agora-Studie.

Berlin, 12. Dezember 2024. Das jährlich benötigte Volumen an privaten und öffentlichen Investitionen für den Übergang zur Klimaneutralität erreicht bis 2030 seinen Höhepunkt und sinkt im Verlauf der nächsten 15 Jahre um gut 20 Prozent ab, wie eine neue Studie von Agora Energiewende zeigt. Die Höhe der notwendigen Gesamtinvestitionen geht von 13,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also 600 Milliarden Euro, im Jahr 2030 auf 8,8 Prozent des BIP (470 Milliarden Euro) im Jahr 2045 zurück. Bis 2035 fallen mehr als die Hälfte der Investitionsbedarfe an, insbesondere um den Rückstand beim Ausbau der Stromnetzinfrastruktur und der Elektrifizierung in den Nachfragesektoren wie Industrie, Gebäude und Verkehr aufzuholen. Die jetzt vorgelegte Analyse baut auf der bereits im Oktober erschienenen Studie „Klimaneutrales Deutschland – von der Zielsetzung zur Umsetzung“ auf, die errechnet hatte, dass drei Viertel der für die Klimaneutralität notwendigen Gesamtinvestitionen von durchschnittlich 540 Milliarden Euro jährlich sogenannte „ohnehin-Investitionen“ sind, die auch ohne Klimaschutz getätigt werden müssen – etwa für den Erhalt und die Erneuerung von Gebäuden, Industrieanlagen und Verkehrsmitteln. Daher ist in erster Linie ein Umlenken von fossilen Investitionen in klimaneutrale Alternativen notwendig.

„Um private Investitionen für die Transformation anzureizen, müssen wir öffentliche Gelder gezielt und strategisch klug einsetzen – dafür ist ein stabiler Finanzrahmen der Schlüssel“, sagt Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland. „Ab 2030 sinkt der Gesamtinvestitionsbedarf deutlich. Das unterstreicht: Der Erfolg beim Klimaschutz braucht zügiges Handeln.“

Fast 80 Prozent der in der Studie ausgewiesenen notwendigen Investitionen bis 2045 kommen aus privaten Mitteln, nur 20 Prozent entfallen auf die öffentliche Hand. Durch geeignete Rahmenbedingung kann der Staat also in erheblichem Umfang private Investitionen mobilisieren. Hierfür ist ein ausgewogener Politikmix aus CO2-Preisen, Marktregulierung, Förderung und Infrastrukturausbau erforderlich, um den Übergang sowohl wirtschaftlich als auch sozialverträglich zu gestalten. Um Wirtschaftlichkeitslücken beim Umstieg auf klimaneutrale Alternativen zu schließen und soziale Härten abzufedern, sind staatliche Mittel in Höhe von 58 Milliarden Euro jährlich nötig.

Die Energieinfrastruktur nimmt bei den Investitionen eine Sonderstellung ein: hier ist der unmittelbare Investitionsbedarf am höchsten und rund die Hälfte der Investitionen entfallen auf die öffentliche Hand, zum Beispiel über staatliche Beteiligungen an Netzbetreibern bzw. Stadtwerken. Um den Staat und insbesondere die Kommunen mit ausreichend finanziellem Handlungsspielraum auszustatten, ist eine Anpassung der Finanzregelungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die Schaffung zusätzlicher Einnahmen sowie eine angepasste Schuldenregel von zentraler Bedeutung.

„Unsere Analyse zeigt deutlich: den überwiegenden Teil der Investitionen auf dem Weg zur Klimaneutralität werden private Unternehmen und Haushalte tätigen. Dennoch kommt der öffentlichen Hand eine Schlüsselrolle zu, um dies zu ermöglichen und vor allem bei der Infrastruktur selbst zu investieren. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, brauchen die öffentlichen Finanzen ein stabiles Fundament“, so Müller.

Klimaneutrale Modernisierung durch Ausgaben in drei Bereichen

Um die jährlichen Investitionsbedarfe zu decken und ausreichend private Investitionen anzureizen, sind Ausgaben durch die öffentliche Hand in drei Bereichen notwendig. Erstens für Investitionen in öffentliche Infrastrukturen im Gebäude- oder Verkehrsbereich. Hinzu kommen Investitionen von Unternehmen, die sich (teilweise) im Besitz der öffentlichen Hand befinden. Zweitens für die Flankierung von privaten Investitionen durch Anreize, um im Übergang zur Klimaneutralität Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen. Und drittens, auf Förderungen und Ausgleichszahlungen, um übermäßige Kostenbelastungen von Bürgerinnen und Unternehmen zu vermeiden. Die öffentlichen Investitionen lassen sich mit Blick auf die Verschuldungsregeln der öffentlichen Hand auch danach einteilen, ob sich eine Ausgabe selbst refinanziert, im weiteren Sinne das Produktionspotential ausweitet oder für laufende Kosten zu verbuchen ist. Dabei ist zentral, dass in allen drei Bereichen langfristig ausreichende Handlungsspielräume erforderlich sind.

Kluger Finanzierungsmix stellt staatliche Handlungsfähigkeit sicher

Klar ist, dass die Größe der anstehenden Herausforderungen – auch über den Klimaschutz hinaus – eine angemessene und ausgewogene strukturelle Finanzierungsgrundlage auf allen föderalen Ebenen erfordert. Hierfür ist es notwendig, die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen in den Blick zu nehmen und zukunftsfest aufzustellen. So könnte die Festschreibung des Klimaschutzes als eine kommunale Pflichtaufgabe in Verbindung mit einer ausreichenden Finanzierung die Modernisierung des kommunalen Kapitalstocks fördern und die Kommunen damit in die Lage zu versetzen, notwendige Zukunftsinvestitionen zu tätigen. In jedem Fall ist eine bessere Ressourcenausstattung der Kommunen unverzichtbar, ebenso wie eine generelle Verbreiterung der kommunalen Einnahmebasis.

Für eine nachhaltigen Finanzierung von Zukunftsinvestitionen gilt es, neben einer politisch zu entscheidenden Priorisierung bestehender Ausgaben auch die Einnahmenseite in den Blick zu nehmen. Hier besteht die Möglichkeit, Einnahmen zu schaffen, die zunächst Investitionen unterstützen und langfristig die Einnahmen des Staates sichern. So könnte eine europaweit erhobene Abgabe entsprechend dem Ressourcenverbrauch zunächst Märkte für klimafreundliche Primärprodukte wie Grünstahl und CO2-arme Kunststoffe unterstützen und dann langfristig entsprechend dem jeweiligen Ressourcenverbrauch fortbestehen. Darüber hinaus können Anpassungen im Steuerrecht dazu beitragen, die finanziellen Spielräume für Zukunftsinvestitionen zu erweitern und langfristig zu sichern.

„Die Wertschöpfung, auf der unser Wohlstand basiert, wurde über Jahrzehnte maßgeblich durch die Nutzung fossiler Energieträger ermöglicht. Es ist daher folgerichtig und entspricht dem Verursacherprinzip, wenn diejenigen, die in besonderem Maße von diesem Wohlstand profitiert haben, einen größeren Beitrag leisten, um die daraus resultierenden Schäden zu begrenzen und den Übergang in eine klimaneutrale Zukunft zu finanzieren“, sagt Simon Müller. 

Um die Handlungsfähigkeit des Staates sicherzustellen, ist auch eine grundsätzliche Anpassung der Schuldenregeln im Grundgesetz ein wichtiger Baustein. Um eine dynamische Anpassung der Staatsausgaben zu ermöglichen, sollten im Grundgesetz nur die wesentlichen Aspekte festgelegt werden. Eine feste Summe für den Zeitraum bis 2045 würde den tatsächlichen Finanzbedarf, der sich durch technologische Innovationen, politische Entwicklungen oder unvorhergesehene Ereignisse ändern kann, nur unzureichend abbilden. Hier könnte ein beratendes Gremium, empirisch evaluiert, regelmäßige Nachjustierungen des Finanzierungsmechanismus ermöglichen und damit die notwendige Balance zwischen Planungssicherheit und Anpassungsfähigkeit gewährleisten. Neben strukturellen Lösungen braucht es mit Blick auf die kommende Legislaturperiode jedoch auch wirksame Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit. Denn der staatliche Förderbedarf beträgt im Zeitraum von 2025 bis 2030 laut Berechnungen von Agora Energiewende jährlich 58 Milliarden Euro.

„Der Übergang zur Klimaneutralität ist ein Projekt, von dem zukünftige Generationen massiv profitieren. Daher ist es auch mit Blick auf die Generationengerechtigkeit geboten, eine solide Finanzierung zu sichern. Dafür ist eine Reform der Schuldenregel unerlässlich“, so Simon Müller.

Die 47-seitige Studie „Investitionen für ein klimaneutrales Deutschland“ wurde von Agora Energiewende erstellt und berechnet die Investitionsbedarfe zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 in Deutschland. Dabei werden sowohl das Gesamtbild als auch die einzelnen Sektoren und das Verhältnis von öffentlichen zu privaten Investitionen betrachtet. Die Studie gibt außerdem politische Maßnahmenempfehlungen, wie die Investitionsoffensive von staatlicher Seite am besten realisiert werden kann. Die Publikation steht zum kostenfreien Download unter www.agora-energiewende.de zur Verfügung.

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