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Format
Studie
Date
23. Oktober 2017

Ein Kohleausstieg nach dem Vorbild des Atomausstiegs?

Eine juristische Analyse des Urteils des Bundes­ver­fassungsgerichts vom 6. Dezember 2016

Ein Kohleausstieg nach dem Vorbild des Atomausstiegs?

Einleitung

In der kommenden Legislaturperiode wird es darum gehen, den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beschließen. Denn anders sind die deutschen Klimaschutzziele nicht zu erreichen. Die Bundesregierung hat hierzu im Klimaschutzplan 2050 die Gründung einer entsprechenden Kommission angekündigt.

Mit den 11 Eckpunkten für einen Kohlekonsens hat Agora Energiewende im vergangenen Jahr einen Vorschlag vorgelegt, wie ein solcher Ausstieg im Konsens mit allen Betroffenen bewältigt werden kann. Der Vorschlag orientierte sich dabei am bereits beschlossenen Atomkonsens.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. Dezember 2016 sein Urteil über die Klagen der Kernkraftwerksbetreiber gegen den Atomausstieg gefällt und darin das Atomausstiegsgesetz bestätigt. Vor diesem Hintergrund haben wir die Kanzlei Becker ­Büttner Held beauftragt, die Übertragbarkeit des Urteils auf ein Kohleausstiegsgesetz in Anlehnung an den Atomausstieg umfassend zu prüfen. Das Ergebnis: Die Politik hat auch beim Kohleausstieg einen sehr ­weiten Gestaltungsspielraum.
 

Kernergebnisse

  1. Ein Gesetz zum Kohleausstieg analog zum Atom­ausstiegsgesetz ist auch ohne Konsens verfas­sungskonform darstellbar.

    Das Bundesverfas­sungsgericht hat in seinem Urteil zum Atom­ausstieg dem Gesetzgeber einen sehr weit­reichenden energiepolitischen Gestaltungsspielraum zugebilligt. Eine Konsenslösung beim Kohleausstieg ist demnach grundsätzlich sinnvoll, aus verfassungsrecht­licher Sicht jedoch keine Voraussetzung.

  2. Kohlekraftwerke, die älter als 25 Jahre sind, können vom Gesetzgeber entschädigungsfrei still­gelegt werden.

    Aus verfassungsrechtlicher Perspektive stellt ein Kohleausstiegsgesetz insbesondere einen Eingriff in die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) dar. Eine Abwägung zwischen dem Gemeinwohl einerseits und dem Eigentumsrecht der Betreiber andererseits ergibt, dass abgeschriebene Kohlekraftwerke ohne Entschädigungsansprüche stillgelegt werden können. Dies ist nach 25 Jahren Betriebsdauer der Fall.

  3. Kraftwerksbetreiber haben Anspruch auf eine Übergangsfrist bis zur Stilllegung ihrer Anlagen. In den meisten Fällen reicht hierfür ein Jahr aus.

    Sofern Kohlekraftwerke eine Betriebsdauer von 25 Jahren bereits überschritten haben, ist eine schnelle Umsetzung des Kohleaussteigs mit kurzen Übergangsfristen möglich. Nur in wenigen Fällen (zum Beispiel lang laufende Kohlelieferverträge) sind entweder längere Übergangsfristen oder Entschädigungszahlungen nötig.

  4. Die Folgen einer Stilllegung von Braunkohlekraftwerken auf die angeschlossenen Tagebaue müssen vom Gesetzgeber berücksichtigt werden.

    Auch Braunkohletagebaue stehen unter dem grund­gesetzlichen Schutz des Eigentums. Falls eine kurzfristige Stilllegung von Braunkohlekraftwerken auch zu einer kurzfristigen Stilllegung eines angeschlossenen Tagebaus führt, kann dies besondere Übergangsfristen oder Entschädigungszahlungen begründen.

Bibliographische Daten

Autor:innen
Becker Büttner Held (BBH): Rechtsanwalt Dr. Olaf Däuper, Rechtsanwalt Dr. Sascha Michaels, Rechtsanwalt Dr. Alexander Dietzel, Rechtsanwältin Anja Buller
Publikationsnummer
119/05-S-2017/DE
Versionsnummer
1.0
Veröffentlichungsdatum

23. Oktober 2017

Seitenzahl
52
Zitiervorschlag
Becker Büttner Held (BBH): Ein Kohleausstieg nach dem Vorbild des Atomausstiegs? Eine juristische Analyse des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016. Studie im Auftrag von Agora Energiewende.
Projekt
Diese Publikation wurde erstellt im Rahmen des Projektes Die zukünftige Rolle der Kohleverstromung (Publikationsübersicht).

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