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Format
Pressemitteilung
Date
14. Juni 2015

Kohlekraftwerks-Reserve muss deutlich größer ausfallen, um Klimaschutz-Effekt zu bewirken

Studie: Nennenswerte Treibhausgasminderungen gibt es nur, wenn 18 bis 20 alte Braunkohlekraftwerksblöcke vom Markt genommen werden

Berlin, 14. Juni 2015. Die Treibhausgasemissionen des deutschen Stromsektors können bis 2020 um etwa 90 Millionen Tonnen CO2 abgesenkt werden, ohne dass dies wesentliche strompreissteigernde Effekte hätte. Um dieses Potenzial ganz oder teilweise zu heben, ist die von IGBCE und BDI vorgeschlagene Klimaschutz-Reserve für alte Kohlekraftwerke als Alternative zum Konzept des Klimaschutzbeitrags grundsätzlich geeignet. Allerdings müsste die Reserve mindestens Platz für vier bis sechs Gigawatt alte Braunkohlekraftwerke bieten, um nennenswerte zusätzliche CO2-Minderungen zu erbringen, da sie sonst nur ohnehin stattfindende Business-as-usual-Stilllegungen auffangen würde. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie des Beratungsunternehmens Enervis Energy Advisors im Auftrag von Agora Energiewende sowie einer darauf aufbauenden Analyse des Teams von Agora Energiewende.

Im Rahmen der Studie wurde die schrittweise Stilllegung zusätzlicher Kraftwerke modelliert, um dadurch bis 2020 im Stromsektor 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990. Die Abschaltreihenfolge der stillzulegenden Kraftwerke orientiert sich an den möglichst geringsten Kosten der CO2-Vermeidung für das Stromsystem insgesamt. Dabei zeigt sich, dass das aus dem Marktnehmen der ältesten Braun- und Steinkohlekraftwerke wenige Jahre vor ihrem technischen Lebensende wesentliche CO2-Reduktionen erbringen kann und den Strompreis nur um maximal 0,4 Cent je Kilowattstunde anheben würde.

Mit Blick auf die aktuelle Kohledebatte hat Agora Energiewende in einer zusätzlichen Kurzanalyse zudem die Effekte einer Klimaschutzreserve alter Kohlekraftwerke analysiert. Dieser Alternativvorschlag der Gewerkschaft IG BCE und des BDI zum Konzept des Klimabeitrags des Bundeswirtschaftsministeriums strebt an, über die Bildung einer normalerweise nicht eingesetzten Reserve aus alten Kohlekraftwerken den CO2-Ausstoß um 11 bis 16 Millionen Tonnen zu reduzieren (gegenüber 22 Millionen Tonnen im Konzept  des Klimabeitrags und 48 Millionen Tonnen in der Studie von enervis). Darüber hinaus soll die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung) stärker als bisher gefördert werden.

Die Bildung einer Kraftwerksreserve als Alternative zum Klimabeitrag ist der Kurzanalyse zufolge im Prinzip möglich. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass diese Reserve immer auch Kraftwerke enthalten würde, die ohnehin stillgelegt worden wären. Um tatsächlich zusätzliche Emissionsminderungen zu erreichen, muss die Reserve deshalb entsprechend größer ausgelegt werden.

„Die Klimaschutzreserve von IGBCE und BDI ist grundsätzlich geeignet, um die notwendigen CO2-Emissionen im Stromsektor zu erbringen. Sie muss aber 18 bis 20 alte Braunkohlekraftwerksblöcke umfassen, um nennenswerte zusätzliche Effekte zu bewirken. Andernfalls wird das Geld nur für ohnehin erfolgte Stilllegungen ausgegeben“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.

Die Stilllegung alter Kohlekraftwerke würde nicht nur in Deutschland, sondern in Europa insgesamt zu einer Senkung der strombedingten Treibhausgasemissionen führen. Das ist ein weiteres wichtiges Ergebnis der Enervis-Studie „Ein Kraftwerkspark im Einklang mit den Klimazielen“ im Auftrag von Agora Energiewende. CO2-intensive, kostengünstige Kohlekraftwerke in Deutschland produzieren derzeit zunehmend für den Export und drängen jenseits der Grenzen klimafreundlichere Anlagen - insbesondere Gaskraftwerke - aus dem Markt. Die Berechnungen im europäischen Strommodell von Enervis zeigen, dass Kohle-Stilllegungen in Deutschland diesen Effekt wieder umkehren.

Zugleich verbessert sich die Erlössituation der restlichen Kraftwerke. Denn die Stilllegung von Kraftwerken trägt zum Abbau der Überkapazitäten bei, so dass sich die Großhandelspreise moderat erhöhen (bis 2020 maximal um 0,4 Cent pro Kilowattstunde gegenüber der Entwicklung ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen). Die Modellrechnungen zeigen, dass sich damit die derzeit häufig schlechte Ertragslage der meisten Kraftwerksbetreiber per Saldo verbessert.

„Die Diskussionen über das Klimaschutzziel 2020 zeigen: Der Strukturwandel in der Kohlewirtschaft kommt, er sollte deshalb von allen Beteiligten gemeinsam aktiv gestaltet werden. Ein nationaler Kohlekonsens würde Planungssicherheit für die Wirtschaft schaffen und sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen für die Beschäftigten ermöglichen“, betont Graichen.

Die Publikation "Ein Kraftwerkspark im Einklang mit den Klimazielen" steht unten zum kostenfreien Download zur Verfügung.

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