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Format
Pressemitteilung
Date
11. April 2016

Was getan werden muss, um Europas Stromsektor fit zu machen für die 2030-Herausforderung

Agora Energiewende skizziert mit dem „Power Market Pentagon“ erstmals einen kohärenten Vorschlag für Eckpfeiler des künftigen EU-Klima- und Energiepaketes:  Es geht um einen flexiblen Strommarkt, Erneuerbare Energien, Versorgungssicherheit und die Dekarbonisierung des Stromsystems

Brüssel, 11. April 2016. Auf dem Weltklimagipfel von Paris haben die Staaten der Welt den beinahe vollständigen Verzicht auf den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen in den kommenden 35 Jahren beschlossen. Für den europäischen Stromsektor bedeutet dies den vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung und den Ausbau Erneuerbarer Energien, vor allem von Windkraft und Photovoltaik. Das Klima- und Energiepaket 2030 der EU bedeutet, dass bis dahin der Anteil Erneuerbare Energien an der Stromerzeugung von derzeit 29 auf 50 Prozent steigt. „Dafür ist eine umfassende Umstellung der Regelungen für das europäische Stromsystem nötig“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor des unabhängigen Denk- und Politiklabors Agora Energiewende. „Die heutigen EU-Regelungen stehen den Klima- und Energiezielen vielfach im Weg. Sie sind unkoordiniert und geprägt von Lehrbuch-Ökonomik. Sie verlieren dabei die Realität aus den Augen. Agora Energiewende schlägt deshalb umfangreiche, untereinander koordinierte Änderungen beim Strommarktdesign, am Europäischen Emissionshandel, den Regelungen zur Stromversorgungssicherheit, dem Umgang mit alten, klimaschädlichen Kraftwerken und bei den Marktbedingungen für Erneuerbare Energien vor.“

Das Konzept unter dem Titel „Power-Market Pentagon“ ist ein kohärenter Vorschlag für die Ausgestaltung des nächsten EU-Klima- und Energiepakets, das in den kommenden Monaten zur Verhandlung ansteht.
„Das Konzept beschreibt fünf Bausteine, deren Kombination ein kostengünstiges Stromsystem ermöglicht, das immer mehr auf Windkraft und Photovoltaik basiert und immer weniger auf fossilen Kraftwerken“, sagt Graichen. „Denn Windkraft und Photovoltaik sind die günstigsten unter allen klimafreundlichen Stromerzeugungsoptionen.“ Ihr Nachteil gegenüber dem bestehenden, klimaschädlichen Stromsystem besteht in der wetterbedingt hohen Variabilität der Stromerzeugung. Ein Stromsystem, das vor allem auf Wind- und Solarstrom basiert, muss daher sehr flexibel auf die wetterbedingten Schwankungen reagieren können und zugleich ausreichend Reserveleistung beinhalten.

Das „Power Market Pentagon“ schlägt als zentrales Flexibilitätsinstrument zunächst Verbesserungen des bestehenden Energy-Only-Marktes für Strom vor. Diese haben allesamt eine engere Kopplung der unterschiedlichen Teilmärkte zum Ziel – sowohl unter den EU-Mitgliedsstaaten als auch der verschiedenen Marktsegmente (Day-Ahead, Intraday). Zudem solle die Nachfrageseite stärker als bisher auf Signale am Strommarkt reagieren können; bislang stehen dem vielfach regulatorische Hürden entgegen.

Gleichermaßen der Flexibilisierung des Stromsystems als auch den Klimaschutzzielen stehen die jahrzehntealten Kohlekraftwerke in Europa entgegen. Das „Power Market Pentagon“ schlägt vor, diese planvoll und schrittweise stillzulegen. „Der Europäische Emissionshandel hat bislang entgegen seiner Theorie nicht zur Stilllegung alter Kohlekraftwerke geführt“, sagt Graichen. „Für wirksamen Klimaschutz entwickeln die Mitgliedsstaaten daher nun zusätzliche nationale Instrumente.“  Diese nationalen Initiativen sollten EU-seitig besser unterstützt werden, beispielsweise durch verschärfte Anforderungen an den Schadstoffausstoß alter Kohlekraftwerke oder indem die kommende Strommarkt-Richtlinie klare Anforderungen an Stromsystemflexibilität stellt.

Flankierend dazu soll der Europäische Emissionshandel (ETS) so umgebaut werden, dass er seine Hauptrolle – wirksame Preissignale für den Abbau klimaschädlicher Energieversorgung – erfüllen kann. Daher visiert das Pentagon-Konzept einen Mindestpreis von 30 Euro pro Tonne CO2 an, sowie die automatische Löschung überflüssiger Zertifikate und eine enge Interaktion des ETS mit den Klimaschutzinstrumenten einzelner Mitgliedsstaaten. Diese Neuausrichtung soll die derzeitigen Schwächen des ETS vermindern: So senkt aktuell jeder Ausbau Erneuerbarer Energien automatisch den Wert von CO2-Zertifikaten und somit den Strompreis, was den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien unattraktiver macht. Damit solche nationalen Initiativen für den Klimaschutz effektiv sein können, sollen Emissionszertifikate in dem Maße gelöscht werden, wie CO2 durch den Ausbau Erneuerbarer Energien eingespart wird.

Mehr Sicherheit favorisiert das Konzept auch für den Ausbau der Erneuerbaren Energien selbst: So betont das Papier die Wichtigkeit von Finanzierungsmechanismen für Erneuerbare Energien in Ergänzung zum Verkauf ihres Stroms am Strommarkt. Denn die dort zu erzielenden Erlöse decken auf absehbare Zeit nicht die Vollkosten von Neuinvestitionen – gleich, ob es sich um konventionelle oder Erneuerbare-Energien-Anlagen handelt. „Der Strommarkt wird derzeit durch zahlreiche Faktoren gestört, die für neue Akteure am Markt komplett unkontrollierbar sind. Beispielsweise der Preisverfall der Steinkohle, ohne dass der CO2-Preis gegensteuert“, sagt Agora-Direktor Graichen. „Wenn die Europäische Union den Ausbau Erneuerbare Energien will, dann muss sie die Rahmenbedingungen auch so setzen, dass sich Akteure finden, die hier investieren. Je verlässlicher diese Rahmenbedingungen sind, desto niedriger sind die Finanzierungskosten und desto günstiger ist der Strom aus Erneuerbaren Energien. Wer darauf setzt, dass sich Erneuerbare Energien nach 2020 ausschließlich am Strommarkt refinanzieren, wird erleben, dass entweder kein Ausbau mehr stattfindet oder dass der Strom aus Erneuerbaren Energien durch Risikoaufschläge sehr teuer wird.“

Das Pentagon-Konzept weist darauf hin, dass über Ausschreibungen ermittelte Prämien für Strom aus Erneuerbaren Energien selbst einen Indikator liefern, wie nahe die Vergütungen am Marktpreis sein werden.
Als fünften Baustein schließlich sieht das Konzept die Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Strom. Es empfiehlt, diesen Aspekt viel stärker auf europäischer Ebene zu beleuchten: So sollte der grenzüberschreitende Einsatz von Kraftwerkskapazitäten zur Regel werden und der Marktrahmen für Reservekapazitäten so gestaltet werden, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien dadurch nicht behindert wird. Schließlich sollten sich auch Reservekraftwerke am Primat des Klimaschutzes orientieren.

„Alle diese Elemente wurden auch in der bisherigen EU-Rechtssetzung behandelt – aber nicht so koordiniert, wie das in unserem Vorschlag erfolgt. Damit das europäische Stromsystem zu möglichst geringen Kosten dekarbonisiert werden kann, ist es unumgänglich, dass alle Bausteine gut zusammenpassen. Hierfür wollen wir einen Beitrag leisten“, resümiert Graichen.

Das Impulspapier „The Power Market Pentagon“ steht unten zum kostenfreien Download zur Verfügung.

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