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Format
Pressemitteilung
Date
9. April 2025

Statement von Agora Energiewende zum Koalitionsvertrag

Markus Steigenberger, Geschäftsführer der Agora Think Tanks, zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD: 

9. April 2025. „Wir begrüßen, dass sich die künftigen Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag zur Klimaneutralität bis 2045, zum Europäischen Emissionshandel als wichtigem Instrument für den Klimaschutz und zum Ausbau der Erneuerbaren Energien bekennen.  

Dieses Bekenntnis erfordert, dass die kommende Bundesregierung über die Unterstützung des 2040-Ziels hinaus bei der weiteren Ausgestaltung der europäischen Klimaschutzarchitektur Kurs hält, um damit Energiesicherheit und Resilienz zu stärken und die Modernisierung der Wirtschaft in Deutschland und Europa voranzubringen. Angesichts eskalierender Handelskonflikte und zunehmender geopolitischer Spannungen ist es notwendiger denn je, dass Deutschland und die EU hier entschlossen vorangehen.

Der nun veröffentlichte Koalitionsvertrag enthält entscheidende Maßnahmen für die Energiewende – vom Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Netze über die Wärmewende bis zur Industrietransformation – jedoch ist er auf kurzfristige Erfolge und Einsparungen ausgelegt und lässt eine langfristig tragende Strategie vermissen. So bedeutet eine Kopplung des Erneuerbaren-Ausbaus an die Netzkapazitäten keine Kosteneinsparungen, sondern verschiebt die notwendigen Investitionen lediglich in die Zukunft. Damit riskiert die zukünftige Regierung, dass Wirtschaft und künftige Generationen die Rechnung für verpassten Klimaschutz und eine verlangsamte Industrietransformation zahlen. Für eine erfolgreiche und kosteneffiziente Energiewende braucht es stattdessen einen klaren Pfad für den Ausbau von Wind- und Solarenergie, der langfristig attraktive Strompreise sichert und Planungssicherheit für die Elektrifizierung aller Sektoren schafft. Unsere Analysen zeigen deutlich: Mit einem ausgewogenen Policy-Mix, der neben CO₂-Preisen auch auf Förderung, Marktregulierung und eine starke Infrastruktur setzt, kann Deutschland seine Klimaziele zügig und kosteneffizient erreichen. Daher ist es notwendig, dass die kommende Bundesregierung zielgerichtet Mittel bereitstellt, um Anreize für private Investitionen in den Sektoren Gebäude, Industrie und Verkehr zu setzen.

Die zusätzlichen Mittel für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) aus dem Sondervermögen müssen zusammen mit den Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung wirksam, effizient und sozial gerecht zur Hebelung klimaneutraler Investitionen eingesetzt werden. Zentral ist dabei: Werden die CO₂-Einnahmen zur Senkung der Strompreise verwendet, braucht es zusätzliche Mittel aus dem Kernhaushalt, um die für die Energiewende notwendigen privaten Investitionen zu mobilisieren.

Der Koalitionsvertrag erkennt zurecht die Bedeutung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der Flexibilisierung für ein resilientes, klimafreundliches Energiesystem an. In der Umsetzung muss das bedeuten, dass der Ausbau von Wind und Solar sowie der dafür erforderlichen Netzinfrastruktur ambitioniert fortgesetzt wird und Preisanreize gesetzt werden, um Strom dann zu beziehen, wenn er günstig ist. 

Eine Reihe von Vereinbarungen im Koalitionsvertrag weisen allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Die nun vereinbarte Subventionierung erheblicher Kapazitäten fossiler Kraftwerke sehen wir mit Sorge. Problematisch ist die geplante einseitige Ausschreibung von 20 GW Gas-Kraftwerkskapazitäten, statt einer Ermittlung des günstigsten Technologiemixes für Versorgungssicherheit im Wettbewerb. Mit der Option auf die Nutzung von CCS droht dies zu einer Dauersubvention für die Nutzung importierten fossilen Erdgases zu werden. Daher ist es wichtig, dass dies mit klaren Vorgaben zur Umstellung auf Wasserstoff verknüpft wird, um damit auch die Wasserstoffinfrastruktur und Energiesicherheit zu stärken. Zwar kann die vorgesehene Umwidmung von Reservekraftwerken für den aktiven Einsatz Strompreisspitzen senken. Der Effekt auf den durchschnittlichen Strompreis ist aber gering, da diese Spitzen nur wenige Stunden im Jahr auftreten. Die Kollateralschäden eines solchen Markteingriffs sind jedoch erheblich: Dieser schwächt Anreize, Strom flexibel zu nutzen, hemmt Investitionen in Speichertechnologien wie Großbatterien und verteuert  damit perspektivisch das Stromsystem.    

Durch die Ankündigung im Koalitionsvertrag, das aktuelle „Heizungsgesetz“ abzuschaffen, droht Verunsicherung im Heizungsmarkt. Eine neue rechtliche Regelung im Gebäudeenergiegesetz muss daher sehr schnell erfolgen, um Klimaschutz und Energieunabhängigkeit nicht zu verschleppen. Dabei muss das neue Gebäudeenergiegesetz mit klaren Vorgaben Planungssicherheit schaffen, damit heimische Heizungsindustrie, Baugewerbe und Haushalte sich zukunftssicher aufstellen können. Um die nötigen Investitionen anzureizen, sind die vorgesehenen Instrumente zur Mobilisierung privaten Kapitals hilfreich. Zusätzlich bedarf es eines sozial gestaffelten Förderrahmens, der   auch Haushalten mit geringem Einkommen die Teilhabe an der Wärmewende ermöglicht. Der Ausbau der Wärmenetze ist die zweite wichtige Säule eines klimaneutralen Gebäudesektors – die im Koalitionsvertrag nun beschlossene gesetzliche Regelung und Aufstockung der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze ist dafür ein wichtiger Schritt. Um die Energieversorger bei der Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung zu unterstützen, ist die im Koalitionsvertrag angekündigte zügige Umsetzung des EU-Gasbinnenmarktpakets zentral, die auch Rechtssicherheit für Stilllegungen nicht mehr benötigter Gasinfrastruktur schafft.  

Für die Industrie sind die angekündigten Strompreisentlastungen, die beschlossene Fortsetzung der Klimaschutzverträge und die Entwicklung von grünen Leitmärkten zentrale Instrumente, um Investitionen in Richtung Klimaneutralität anzureizen. Darüber hinaus sind die beschleunigten Abschreibungen eine wichtige Ergänzung. Diese sollten sich auf Effizienz- und Klimaschutztechnologien konzentrieren, um den Fördermitteleinsatz zu optimieren.“