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Alexandra Langenheld
Leiterin Effizienzpolitik
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Simon Müller
Direktor Deutschland
Dieser Inhalt ist auch verfügbar auf: Englisch
Eine Wärmepumpen-Revolution für Deutschland
Ab 2024 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden – so hat es die Ampel im März 2022 vereinbart. Was sind die drängendsten To Do’s der Bundesregierung, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen?
Die Bundesregierung hat 2021 ihr Klimaziel im Gebäudesektor verfehlt und steht nun laut Klimaschutzgesetz in der Pflicht, diese Woche, bis spätestens 13. Juli 2022, ein Sofortprogramm vorzulegen, um die Wärmewende auf Kurs zu bringen. Der Nachholbedarf ist enorm – zwei Jahre in Folge hat Deutschland die zulässigen Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich bereits überschritten. Eine wirksame Klimapolitik im Gebäudebereich muss jetzt erstens den Rückstand bei der energieeffizienten Sanierung von Gebäuden aufholen, zweitens, die Umstellung der Fernwärme auf Erneuerbare Energien forcieren und drittens, den Austausch von Millionen fossiler Öl- und Gasheizungen voranbringen. Immer noch werden jedes Jahr 700.000 neue Heizkessel eingebaut, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Allein diese neu installierten Heizungsanlagen verursachen jährlich mehr als vier Millionen Tonnen CO₂ – bei einer Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren konterkarieren sie das Ziel eines klimaneutralen Heizsystems bis 2045. Dabei ist der Abschied von fossilen Brennstoffen für die Wärmeversorgung dringender denn je: Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und der fossilen Energiekrise ist eine schnelle Reduktion des Öl- und Gasverbrauchs sowohl für die Klimaziele als auch für eine bezahlbare und sichere Energieversorgung entscheidend.
Ein entscheidendes Instrument zur Ablösung fossil betriebener Heizungen hin zum klimaverträglichen Heizen ist die sogenannte 65-Prozent-Regel: Demnach muss jede neue Heizung – egal ob im Neubau oder bei Bestandsgebäuden – mit mindestens 65 Prozent Erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Koalition hatte die Regel im Koalitionsvertrag festgeschrieben und im März dieses Jahres das Inkrafttreten von 2025 auf 2024 vorgezogen. Damit die Regel ihren Zweck – das Erreichen der Klimaziele – erfüllt, braucht es dringend eine konsequente Umsetzung.
Was es für eine Wärmepumpen-Revolution braucht
Eine zentrale Voraussetzung, um die 65-Prozent-Anforderung ab 2024 erfüllen zu können, ist, dass die Politik den Rahmen für den Markthochlauf von Wärmepumpen schafft: Ab 2023 müssen pro Jahr rund eine halbe Million Wärmepumpen eingebaut werden, bis 2030 muss die Zahl auf sechs Millionen wachsen. Nur mit einer radikalen Abkehr vom „Weiter So“ kann diese Wärmepumpen-Revolution gelingen: Das erfordert schnelles Handeln, milliardenschwere Investitionen und den Aufbau von Kapazitäten zur Umsetzung. Die Politik ist nun gefordert, zügig Planungssicherheit zu schaffen, um den Hochlauf der Kapazitäten entlang der Wertschöpfungskette – von der Zulieferung und Herstellung über die Planungsbüros und Installation bis hin zum Handwerk – zu ermöglichen.
Das Handwerk muss fit für den Einbau von Wärmepumpen gemacht werden: Dazu gehört eine gezielte Stärkung der Ausbildungsberufe und von Kompetenzzentren für Wärmepumpen sowie eine Finanzierung der Arbeitszeit, die Installateur:innen auf Wärmepumpen-Schulungen verbringen.
Auch Förderprogramme müssen an die neue Regelung angepasst werden: Wichtig ist dabei, dass der Heizungstausch für alle Einkommensklassen erschwinglich und auch in den Gebäuden attraktiv wird, wo der Markthochlauf heute noch stockt, etwa in Mehrfamilienhäusern oder Gebäuden mit Etagenheizung. Biomasse-Heizungen sollten dagegen nur noch in Ausnahmefällen gefördert werden.
Daneben braucht es ein deutliches Signal an Hersteller, Installateur:innen, Handwerk und Verbraucher:innen, um gemeinsam mit den Marktakteuren sicherzustellen, dass bis zum Inkrafttreten der 65-Prozent-Regelung am 1. Januar 2024 alle wesentlichen Hemmnisse ausgeräumt sind. Je länger sich dieser Prozess noch verzögert, desto größer müssen die Kraftanstrengung später werden, um schnellstmöglich Energiesouveränität und Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.
Um die erforderliche Dynamik beim Hochlauf der Wärmepumpen zu entfachen, muss auch der Strompreis für Wärmepumpen über die Befreiung von Umlagen entlastet werden. Zudem gilt es regulatorische Hemmnisse abzubauen: Genehmigungen und örtliche Vorschriften können große Hürden sein und unterscheiden sich erheblich von Kommune zu Kommune. Das betrifft Genehmigungskriterien für die Bohrung von Erdwärmesonden, Abstandsregeln für die Aufstellung von Luft-Wasser-Wärmepumpen und Vorgaben für die Erschließung weiterer Wärmequellen.
Warum Wärmepumpen und Wärmenetze jetzt Vorrang haben müssen
Die 65-Prozent-Regel besiegelt faktisch das Aus von Öl- und Gasheizungen. Eine schlichte Ergänzung eines herkömmlichen Heizkessels, zum Beispiel mit solarem Warmwasser, reicht nämlich nicht aus, um die Anforderung von 65 Prozent Erneuerbarer Energie für den Betrieb von Heizungen zu erfüllen. Mit dem Abschied aus der fossilen Heizwelt muss die Hauptrolle in der Wärmeversorgung neu besetzt werden: Ins Zentrum rücken nun Wärmepumpen und grüne Wärmenetze.
Wärmepumpen bergen gegenüber Alternativen wie Pelletheizungen oder Biomethan zentrale Vorteile: nachhaltige Biomasse wird absehbar teuer beziehungsweise knapp sein, da sie in anderen Bereichen, wie etwa zur Dekarbonisierung der Industrie aus Mangel an Alternativen dringender gebraucht wird. Eine flächendeckende Umstellung auf Bioenergie kommt daher keinesfalls in Frage – die Ausgestaltung der 65-Prozent-Regel muss diesem Umstand Rechnung tragen und darf Biomasse nur in klar benannten Ausnahmefällen zulassen.
Ähnliches gilt für die Verwendung von grünem Wasserstoff für Gebäudeheizungen. Dazu kommt, dass dieser praktisch noch gar nicht verfügbar ist: Wasserstoff als Energieträger bei der Erfüllung der 65-Prozent-Regel kann daher absehbar keine Rolle spielen.
Wärmepumpen sind dagegen bei unterschiedlichsten Voraussetzungen eine geeignete Option, wie die heute veröffentlichten Zwischenergebnisse einer Studie von Öko-Institut und Fraunhofer ISE im Auftrag von Agora Energiewende zeigen. Auch für mäßig sanierte Bestandsgebäude eignen sich Wärmepumpen inzwischen. Mit den technischen Fortschritten der letzten Jahre haben sich ihre Einsatzmöglichkeiten deutlich erweitert. Hybrid-Wärmepumpen, die in Verbindung mit fossilen Heizsystem betrieben werden, sind in den meisten Fällen weder ökonomisch noch ökologisch vorteilhaft.
Wärmenetze sind die optimalen Partner der Wärmepumpe: In städtischen Gebieten verknüpfen sie eine Vielzahl von Verbrauchern und Wärmequellen. So lassen sich auch Abwärme, Solar- und Geothermie gut nutzen. Auch Großwärmepumpen spielen in Wärmnetzen eine wichtige Rolle. Dabei ist entscheidend, dass Wärmenetze, die heute noch fossil gespeist werden, schnell auf grüne Quellen umgestellt werden.
Mit Blick auf 2024 gehört die gesetzliche Verankerung der 65-Prozent-Regelung jetzt ganz oben auf die To-Do-Liste der Bundesregierung. Sie ist die Grundlage, um den Heizungsmarkt auf die Klimaziele auszurichten und Deutschland gleichzeitig aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffimporten zu lösen.
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