Kosten und Risiken der Einfuhr von Wasserstoffderivaten per Schiff
Die Kapazitäten des kostengünstigen Importwegs für erneuerbaren Wasserstoff über Pipelines sind begrenzt. Um die künftige Wasserstoffnachfrage Deutschlands zu decken, gilt die Einfuhr verwandter Moleküle per Schiff als Alternative. Dies birgt jedoch zum Teil technologische Risiken und könnte die notwendige Transformation verzögern.
Berlin, 14. Oktober 2023. Wasserstoffimporte über Pipelines werden Deutschlands künftigen Bedarf an erneuerbarem Wasserstoff aller Voraussicht nach allein nicht decken können. Es braucht daher weitere Importe per Schiff, um Industrie, Energiewirtschaft und Langstreckentransporte versorgen zu können. Die Kosten und technischen Risiken der verschiedenen Importmöglichkeiten variieren jedoch, wie eine neue Studie von Agora Industrie aufzeigt.
Mit Kosten von unter einem Euro pro Kilogramm Wasserstoff sind Pipelines der günstigste Weg erneuerbaren Wasserstoff nach Deutschland zu importieren. Bei der alternativen Einfuhr von Wasserstoffträgern per Schiff – analog zum derzeitigen Import von LNG statt Erdgas – steigen die Kosten aufgrund der Rückumwandlung zu Wasserstoff auf etwa 2 bis 5 Euro pro Kilogramm Wasserstoff. Derivate wie grüner Ammoniak oder brikettierter Eisenschwamm (HBI) stellen mit unter 1,5 Euro je Kilogramm Wasserstoff eine besonders günstige Lösung dar, aber nur wenn diese Stoffe direkt ohne teure Umwandlung weiterverarbeitet werden können, etwa für die Düngemittel- oder Stahlherstellung.
„Mit dem Bau der LNG-Terminals in Deutschland ist auch eine Diskussion über die künftige Verwendung der Infrastruktur für die Einfuhr klimaneutral erzeugter Moleküle entbrannt,“ sagt Frank Peter, Direktor von Agora Industrie. „Für manche Konzepte haben die Flüssigerdgasterminals überhaupt erst die Voraussetzungen geschaffen, um als Importalternative für Wasserstoff in Betracht gezogen zu werden. Der Wettbewerb, auf welchem Weg Deutschland in Zukunft den benötigten Wasserstoff einführen wird, hat sich damit ausgeweitet."
Die Agora Studie hat untersucht, unter welchen Umständen Wasserstoffderivate wettbewerbsfähig importiert werden können, und zeigt auf, wie bestimmte Risiken vermieden werden können. In diesem Zusammenhang wurde die mögliche Nutzung von Synthetischem Erdgas (SNG) mit einem nahezu geschlossenen Kohlenstoffkreislauf, das zunehmend als Option diskutiert wird, vertieft untersucht. SNG wird künstlich mithilfe von Strom und CO₂ produziert. Kommen beide aus nachhaltigen Quellen (zum Beispiel Solarstrom und CO₂ aus der Luft) kann man von einem klimaneutral erzeugten Molekül sprechen. Der klimaneutrale Einsatz erfordert allerdings zusätzliche Technologie-Komponenten, etwa zur Abscheidung und zum Transport des CO₂.
SNG als Wasserstoffträger mit zentraler Rückkonvertierung im Importhafen hat Kosten vom 3,5 bis 4,5 Euro pro Kilogramm Wasserstoff und liegt damit im Bereich anderer Importoptionen. SNG erscheint günstiger, sofern auf die zentrale Rückumwandlung in gasförmigen Wasserstoff verzichtet werden kann. Eine weitere Verteilung über bestehende Gasnetze könnte jedoch deren benötigten Umbau zu Wasserstoff und ökonomisch sinnvollen Stilllegungen im Wege stehen und wäre ohne zusätzliche Pipeline-Infrastruktur zum Rücktransport von CO₂ nicht klimaneutral. Wie bei synthetischen Kraftstoffen birgt SNG – das molekular LNG gleicht – zudem das Risiko, die Transformation in Deutschland weg von fossiler Infrastruktur zu verschleppen.
Sowohl HBI wie auch SNG benötigen zudem technologische Innovation, um die anvisierten Kosten erreichen zu können, zeigt die Agora Studie. Dazu sagt Frank Peter: „SNG mit einem nahezu geschlossenen Kohlenstoffkreislauf hat besonders viele Komponenten mit vergleichsweise niedrigem Technologie-Reifegrad. Angesichts ihrer zeitlich ambitionierten Pläne müssen die Projektentwickler zeigen, wie sie den kommerziellen Betrieb im großen Maßstab – insbesondere der low-carbon-Komponenten, die eine Reduktion des CO₂-Ausstoßes sicherstellen sollen – so zeitnah erreichen können, dass SNG tatsächlich einen schnellen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten kann.“
Die Studie „Wasserstoff-Importoptionen für Deutschland. Analyse mit einer Vertiefung zu Synthetischem Erdgas (SNG) bei nahezu geschlossenem Kohlenstoffkreislauf“ wurde in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Hamburg (TUHH) erarbeitet.
Sie ist Teil der unabhängigen wissenschaftlichen Forschung zu den deutschen Reallaboren. Das Projekt "Trans4ReaL – Transferforschung für die Reallabore der Energiewende zu Sektorkopplung und Wasserstoff“ wird von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. geleitet und durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Die 66-seitige Publikation enthält zahlreiche Abbildungen und Graphiken und steht unten zum kostenfreien Download zur Verfügung.
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Frank Leo Jordans
Senior Manager Presse und Kommunikation Industrie & Wasserstoff