2030-Ziele erfordern Verdreifachung der Klimaschutzinvestitionen
Um eine Minderung der Treibhausgasemissionen von 65 Prozent gegenüber 1990 im Jahr 2030 zu erreichen, müssen jährlich knapp 30 Milliarden Euro Bundesmittel in den Klimaschutz fließen – fast doppelt so viel wie bisher veranschlagt. Zusammen mit weiteren Finanzbedarfen auf kommunaler Ebene braucht es damit insgesamt bis zu drei Mal so hohe Klimaschutzinvestitionen, wie eine Studie im Auftrag von Agora Energiewende und dem Forum New Economy zeigt.
Berlin, 7. September 2021. Bund, Länder und Kommunen müssen spürbar mehr öffentliche Gelder für den Klimaschutz bereitstellen als bisher geplant, um das 2030-Ziel von 65 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 zu erreichen. Für den Zeitraum von 2021 bis 2025 sind im Rahmen von Klimaschutz- und Konjunkturprogrammen sowie dem Klimaschutz-Sofortprogramm öffentliche Ausgaben von rund 80 Milliarden Euro vorgesehen. Dies entspricht nur gut einem Drittel der in den nächsten fünf Jahren für den Klimaschutz benötigten Investitionssumme, wie aus einer gemeinsamen Analyse im Auftrag von Forum New Economy und Agora Energiewende hervorgeht. Demnach beläuft sich der öffentliche Finanzbedarf für Modernisierungsinvestitionen in diesem Bereich in den kommen zehn Jahren (2021-2030) als Summe von Bundes- und kommunalen Investitionen auf rund 46 Milliarden Euro jährlich, wovon knapp 30 Milliarden Euro jährlich auf den Bund entfallen. „Egal, wer die neue Regierung stellt, muss eine öffentliche Investitionsoffensive für die jetzt notwendigen Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg bringen, sonst droht eine Verfehlung der Klimaziele“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Bei der Berechnung der Finanzierungslücke wurden in Bundesprogrammen und europäischen Programmen geplante Ausgaben bis 2025 berücksichtigt, nicht aber bereitgestellte Mittel der Kommunen, die lediglich einen Bruchteil ausmachen dürften. Zudem wurde ein konstanter Investitionspfad über die Zeit angenommen. Daraus ergibt sich bei einem Bedarf von 230 Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren eine gesamtstaatliche Finanzierungslücke von bis zu 150 Milliarden Euro.
Die von den Autoren errechneten öffentlichen Investitionsbedarfe für den Klimaschutz in Höhe von rund 46 Milliarden Euro jährlich bis 2030 liegen damit deutlich höher als bisher angenommen. Zwar gehen existierende Studien von einem gesamtwirtschaftlichen Investitionsbedarf in dem Bereich von etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr aus. In einer viel beachtete Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) wird der öffentliche Anteil davon jedoch auf lediglich 15 Prozent geschätzt. Dennoch: Der in der hier vorliegenden Studie bezifferte jährliche Finanzbedarf von etwa 46 Milliarden Euro entspricht nur rund 6,3 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Bruttoinvestitionen und 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2019. Zum Vergleich: Allein zur Unterstützung des Wiederaufbaus der von Hochwasser und Starkregen besonders getroffenen Regionen in West- und Süddeutschland haben Bund und Länder im Sommer dieses Jahres 30 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. „Die berühmte schwäbische Hausfrau investiert jetzt in Klimaschutz, anstatt immer wieder für viel Geld die Klimaschäden aufräumen zu müssen“, so Graichen.
Der in der Studie ermittelte Gesamtbedarf an Investitionen von 460 Milliarden Euro unterteilt sich folgendermaßen: Die direkten Bundesinvestitionen belaufen sich auf etwa 90 Milliarden Euro, darunter 50 Milliarden Euro für Investitionen in den Ausbau und die Digitalisierung des Schienennetzes. Darüber hinaus besteht ein öffentlicher Finanzbedarf zur Förderung privater Investitionen, zum Beispiel für energetische Gebäudesanierung, von rund 200 Milliarden Euro, wenn als Fördersätze die aktuellen Werte laufender Förderprogramme angesetzt werden. Unter der Prämisse, dass die Förderung privater Investitionen im Wesentlichen eine Bundesaufgabe ist, beläuft sich der Finanzbedarf für Klimainvestitionen aus Bundessicht damit auf circa 290 Milliarden Euro. Hinzu kommt der Finanzbedarf für kommunale Klimainvestitionen in Höhe von rund 170 Milliarden Euro, der mehrheitlich für den Ausbau des ÖPNV anfällt (100 Milliarden Euro).
Die öffentliche Finanzbedarfe für Klimainvestitionen wurden in einem Bottom-up-Ansatz auf Basis existierender Studien ermittelt. Dabei orientiert sich die Analyse am technologischen Transformationspfad KN2045 der Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ von Prognos, Öko-Institut und Wuppertal Institut. Da die Quantifizierung der Bedarfe mit makroökonomischen und politischen Unsicherheiten verbunden ist, sind die Ergebnisse dieser Analyse als Annäherungswerte zu verstehen.
Die Studie „Öffentliche Finanzbedarfe für Klimainvestitionen 2021-2030“ ist in Zusammenarbeit mit dem Forum New Economy erschienen. Leitautor ist Prof. Tom Krebs von der Universität Mannheim. Die Publikation steht unten zum kostenfreien Download zur Verfügung.
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Jahel Mielke
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