Windkraftausbau braucht Flächen und Versöhnung mit Artenschutz: Agora zeigt mit neuem Tool, wie es geht
Um die Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland zwei Prozent seiner Landesfläche für Windenergie nutzen. Doch Konflikte bei der Standortauswahl für neue Windräder und beim Artenschutz erschweren derzeit den Ausbau. Agora Energiewende zeigt mit einem neuen Online-Tool, wo die größten Flächenpotenziale liegen und stellt in einer Analyse Wege vor, Windenergie und Artenschutz besser zu vereinbaren.
Berlin, 15. Oktober 2021. Damit 2030 gut ein Drittel des Stroms in Deutschland aus Windkraft an Land stammen, braucht es dringend mehr Flächen für den Bau neuer Windräder. Das Potenzial ist vorhanden, doch vielerorts behindern pauschale Abstandskriterien zu Siedlungen sowie der grundsätzliche Ausschluss von Wald- oder Landschaftsschutzgebieten den Ausbau. Um das Ziel eines klimaneutralen Deutschlands zu erreichen, werden jedoch zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen benötigt – doppelt so viel wie heute genutzt wird. Doch wo sind die Potenziale in Deutschland am größten? Mit einem neuen Online-Tool, das im Auftrag von Agora Energiewende vom Reiner Lemoine Institut entwickelt wurde, lassen sich geeignete Flächen für den im Rahmen der Klimaziele benötigten Ausbau der Windenergie an Land identifizieren. Zugleich kann das Tool mögliche Standorte für Photovoltaik-Freiflächenanlagen ermitteln, für die künftig knapp ein Prozent der Bundesfläche benötigt werden. Auf diese Weise lässt sich der erforderliche Ausbau von PV-Freiflächen- und Windenergieanlagen an Land für eine klimaneutrale Stromversorgung visualisieren.
„Für einen zügigen Ausbau Erneuerbarer Energien müssen die Klimaschutzziele mit den Interessen von Anwohnenden sowie mit dem Natur-, Landschafts- und Artenschutz in Einklang gebracht werden“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Dieser Ausgleich kann gelingen, wenn die Bundesländer mit Entscheider:innen vor Ort geeignete Standorte ermitteln statt mit pauschalen Ausschlusskriterien den Ausbau zu blockieren. Unser neues Online-Tool soll hierfür als Diskussionsgrundlage dienen.“
Das Tool visualisiert auf Basis öffentlich zugänglicher Geodaten auf der Deutschlandkarte Flächen, die potenziell für PV-Freiflächen- und Windenergie geeignet sind. Beispielsweise können Nutzerinnen und Nutzer die Abstände von Windkraftanlagen zu Siedlungen variieren. So wird sichtbar, welche Potenzialflächen durch die Aufhebung pauschaler Mindestabstände verfügbar werden. Ebenso kann die teilweise Nutzung von Waldflächen sowie von Landschaftsschutzgebieten ausgewählt werden – diese Gebiete bergen überall dort ungenutztes Standortpotenzial, wo keine ökologischen Kriterien berührt werden. Die Einstellungen können separat für jedes Bundesland vorgenommen und die ausgewiesenen Flächen bis auf Gemeindeebene dargestellt werden. Ob ein Gebiet tatsächlich geeignet ist, erfordert weiterer Prüfung mit Beteiligten vor Ort.
„Das Tool zeigt: Wir haben mehr als genug Platz für Erneuerbare Energien. Die Verdreifachung des Erneuerbaren-Ausbaus für ein klimaneutrales Deutschland ist daher keine Flächenfrage, sondern vor allem eine Frage des politischen Willens“, sagt Graichen. „Wir brauchen daher eine differenzierte Betrachtung geeigneter Standorte.“
Neben der Ausweisung geeigneter Flächen stellt der Artenschutz eine Herausforderung für den Ausbau der Windkraft an Land dar. Immer wieder verzögern Klagen gegen Windenergieprojekte deren Bau oder Inbetriebnahme. Eines der häufigsten Klagemotive ist die Sorge um durch Windenergieanlagen in ihrem Bestand gefährdete Vogelarten. „Der Zielkonflikt zwischen Windenergie und Artenschutz ist in Wirklichkeit ein Scheinkonflikt“, sagt Agora-Direktor Graichen. „Denn alle Beteiligten wissen, dass die Klimakrise der größte denkbare Angriff auf den Artenschutz in Deutschland ist. Deshalb müssen wir schnelle, konstruktive und dauerhafte Lösungen finden, wie der Ausbau der Windkraft und der Schutz der Vogelpopulationen gemeinsam erreicht werden können.“ Der dauerhafte Schutz gefährdeter Vögel müsse daher statt standortbezogener Einzelfallprüfungen stärker auf einen flächenbasierten Populationsschutz ausgerichtet werden. In einer Analyse bewertet Agora Energiewende die zur Versöhnung von Windenergie und Vogelschutz vorliegenden Konzepte und gibt Handlungsvorschläge, die in den ersten 100 Tagen von der neuen Bundesregierung auf den Weg gebracht werden können.
Der PV- und Windflächenrechner steht unten zum kostenfreien Download zur Verfügung. Der Rechner wurde vom Reiner Lemoine Institut im Auftrag von Agora Energiewende erstellt und die Entwicklung von der Reiner Lemoine Stiftung unterstützt. Neben dem Tool stehen eine ausführliche Dokumentation und ein Tutorial bereit. Am 28. Oktober stellen die Entwickler:innen das Tool in einem Webinar vor. Das Reiner Lemoine Institut steht für alle technischen, Agora Energiewende zu den inhaltlichen Fragen zu dem Tool bereit.
Die 33-seitige Analyse „Windenergie und Artenschutz – Wege nach vorn“ betrachtet diverse Vorschläge sowie ein Rechtsgutachten der Kanzlei RA Günther zur Vereinbarkeit von Windenergie und Artenschutz. Die Publikation steht unten zum kostenfreien Download zur Verfügung.
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Janne Görlach
Managerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Deutschland (aktuell nicht im Dienst)